Der deutsche Zoll verweigert Ausfuhrstempel für Online-Shopper. Für die Firmen, die deutsche Lieferadressen anbieten, geht das Geschäft aber weiter.
Rechnungen von Waren, die sich Schweizer Käufer von Online-Shops an eine deutsche Adresse haben senden lassen, werden vom deutschen Zoll seit Freitag nicht mehr abgestempelt, wie 20 Minuten berichtete.
Frank Klein von Lieferadresse Konstanz rechnet aber nicht damit, dass sein Dienst künftig weniger gefragt sein wird: «Die Differenz zwischen deutschen und Schweizer Preisen ist weiterhin zu
gewaltig.» Und: Die Rückerstattung der Mehrwertsteuer sei kaum der entscheidende Grund, dass sich Kunden in Online-Shops gekaufte Ware an eine deutsche Adresse liefern lassen. «Es gibt viele
Produkte, die gar nicht in die Schweiz geliefert werden», erklärt Klein 20 Minuten die Motivation fürs Benutzen einer deutschen Lieferadresse.
«Praxisänderung ist problematisch»
Michael Aust von der Firma Grenzpaket findet das Verweigern des Ausfuhrstempels für Waren aus dem Online-Handel problematisch: «Der Zollstempel wird nicht nur für die Rückerstattung der
Mehrwertsteuer benötigt, sondern auch als Nachweis, dass die Ware ausgeführt wurde», so Aust. Er kann sich deshalb vorstellen, dass die Praxis wieder revidiert wird.
Aust glaubt aber auch nicht, dass die neue Praxis des deutschen Zolls grosse Auswirkungen auf die Verwendung von deutschen Lieferadressen haben wird: «Viele bestellen nur Waren für kleinere
Beträge bis 100 Euro und dürften bereits bisher den Aufwand als zu gross empfunden haben, die Mehrwertsteuer für solche Beträge zurückzufordern», sagt Aust zu 20 Minuten.
Lukratives Geschäft mit Lieferadressen
Für Schweizer Kunden eine Lieferadresse im grenznahen Ausland anzubieten, ist inzwischen zu einem einträglichen Geschäft geworden. Eine ganze Reihe von Firmen hat sich darauf spezialisiert.
Einige bieten zudem Lieferadressen in den USA an oder versenden gegen eine Gebühr die bestellten Produkte via eine ausländische Lieferadresse in die Schweiz.
Das Marktforschungsunternehmen GfK schätzte den Wert der Waren, die an Abholstationen im benachbarten Ausland abgeholt werden, im Jahr 2013 auf fast 200 Millionen Franken – der ganz grosse Teil
dürfte dabei an eine deutsche Lieferadresse gesendet worden sein. Seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar durch die Schweizerische Nationalbank sind diese Angebote noch einmal
attraktiver geworden.
Bis 300 Franken abgabenfrei
Wer Waren aus dem Ausland in die Schweiz einführt, kann dies grundsätzlich bis zu einem Warenwert von 300 Franken zoll- und mehrwertsteuerfrei tun. Wichtige Ausnahmen sind jedoch Fleisch oder
Alkohol. Übersteigt der Warenwert 300 Franken, werden die regulären Schweizer Mehrwertsteuersätze fällig. Werden die Waren in die Schweiz eingeführt, können sich die Kunden die Mehrwertsteuern
des Landes, wo die Produkte erstanden wurden, zurückerstatten lassen – falls der Händler diese Option anbietet, und falls ein allfälliger Mindesteinkaufsbetrag überschritten wurde.
Sendungen aus dem Ausland sind hingegen grundsätzlich zoll- und mehrwertsteuerpflichtig. Davon ausgenommen sind – ausser bei Tabak und Alkohol – Geschenksendungen, die bis zu einem Warenwert von
100 Franken abgabefrei sind.
20min.ch, September 2015